Anatomie des Pferdeauges

Kurz zusammengefasst

  • Die Anatomie des Pferdeauges ist ein faszinierendes Zusammenspiel aus Schutz, Weitblick und feiner Wahrnehmung.
  • Wer den besonderen Aufbau kennt, versteht das Verhalten seines Pferdes besser und kann schneller auf gesundheitliche Veränderungen reagieren.
  • Regelmäßige Kontrollen und ein sensibler Umgang sind entscheidend, um die Sehkraft langfristig zu erhalten. So trägst Du dazu bei, dass Dein Pferd die Welt weiterhin sicher, aufmerksam und neugierig erleben kann.

Prüfung / Online Redaktion

Nadja Sukalia
Online Redaktion

Das Auge eines Pferdes ist ein beeindruckendes und sensibles Sinnesorgan, das ihm hilft, seine Umwelt in beeindruckender Weite wahrzunehmen. Mit ihrem großen Sichtfeld erkennen Pferde Bewegungen aus fast allen Richtungen – ein evolutionärer Vorteil, der das Überleben als Fluchttier sichert. Doch gerade durch diese spezielle Anatomie sind die Augen auch besonders anfällig für Verletzungen und Reizungen. Wer den Aufbau des Pferdeauges versteht, kann nicht nur das Verhalten seines Tieres besser deuten, sondern auch gesundheitliche Probleme frühzeitig erkennen. Ein tieferer Blick in die Anatomie eröffnet spannende Einblicke in die Fähigkeiten und Bedürfnisse Deines Pferdes.

Wie ist das Pferdeauge grundsätzlich aufgebaut?

Das Pferdeauge ist groß, seitlich am Kopf positioniert und hat eine auffällige, ausdrucksstarke Form. Es besteht aus mehreren Schichten: Außen schützt die Hornhaut, darunter liegen Iris und Linse, die gemeinsam den Lichteinfall regulieren und das Bild scharf stellen. Dahinter folgt der Glaskörper, eine gelartige Substanz, die dem Auge Stabilität verleiht. Die Netzhaut, die ganz hinten im Auge sitzt, empfängt die Lichtreize und leitet sie über den Sehnerv an das Gehirn weiter. Zusätzlich hat das Pferd ein drittes Augenlid, die sogenannte Nickhaut, die einen wichtigen Schutzmechanismus darstellt. Durch diese spezielle Anatomie ist das Pferdeauge perfekt an das Leben als Fluchttier angepasst – mit einem sehr weiten Blickfeld und schneller Wahrnehmung von Bewegungen.

Welche Rolle spielt die Hornhaut beim Pferdeauge?

Die Hornhaut ist die vorderste, transparente Schicht des Auges und dient vor allem dem Schutz. Sie wirkt wie ein natürliches Fenster, das gleichzeitig robust und lichtdurchlässig ist. Durch ihre Krümmung hilft die Hornhaut auch dabei, das einfallende Licht zu bündeln und die Schärfe des Bildes zu verbessern. Bei Pferden ist die Hornhaut besonders groß und stark gewölbt, was zur Erweiterung des Sichtfelds beiträgt. Da sie ständig der Umwelt ausgesetzt ist, ist sie sehr empfindlich gegenüber Staub, Zweigen oder Insekten. Schon kleinste Verletzungen können zu schmerzhaften Entzündungen führen. Deshalb ist die Hornhaut nicht nur für das Sehen wichtig, sondern auch ein Bereich, der besondere Pflege und Aufmerksamkeit verdient.

Was ist die Aufgabe der Linse im Pferdeauge?

Die Linse liegt direkt hinter der Iris und spielt eine entscheidende Rolle für die Fokussierung. Sie verändert ihre Form, um Objekte in verschiedenen Entfernungen scharf zu sehen. Bei Pferden ist die Linse vergleichsweise groß und besonders flexibel, da sie vor allem Bewegungen in der Ferne schnell wahrnehmen müssen. Gleichzeitig unterstützt die Linse zusammen mit der Hornhaut die Lichtbrechung und sorgt dafür, dass das Bild auf der Netzhaut möglichst scharf abgebildet wird. Altersbedingte Veränderungen oder Trübungen der Linse können die Sicht deutlich beeinträchtigen und sollten frühzeitig vom Tierarzt untersucht werden. Eine gesunde Linse ist also unverzichtbar für die sichere Orientierung und das Wohlbefinden des Pferdes.

Welche Funktion hat die Netzhaut?

Die Netzhaut (Retina) ist die empfindliche innere Schicht auf der Rückseite des Auges. Hier werden die Lichtreize, die durch Hornhaut und Linse gebündelt werden, in elektrische Signale umgewandelt. Diese Signale werden dann über den Sehnerv an das Gehirn gesendet, wo sie als Bild verarbeitet werden. Die Netzhaut enthält spezielle Zellen: Stäbchen, die vor allem für das Sehen bei schwachem Licht zuständig sind, und Zapfen, die das Farbsehen ermöglichen. Bei Pferden sind die Stäbchen besonders zahlreich, was erklärt, warum sie auch in der Dämmerung oder bei schlechten Lichtverhältnissen sehr gut sehen. Erkrankungen der Netzhaut können das Sehvermögen massiv einschränken und sollten immer ernst genommen werden.

Was ist die Nickhaut beim Pferd?

Die Nickhaut, auch drittes Augenlid genannt, ist ein dünnes, halbtransparentes Gewebe, das sich von der inneren Augenwinkelregion quer über den Augapfel bewegen kann. Sie schützt das Auge vor Staub, Fremdkörpern und Insekten, ohne das Sehen vollständig zu behindern. Gleichzeitig unterstützt die Nickhaut die Verteilung des Tränenfilms und hilft, kleine Partikel aus dem Auge zu transportieren. Besonders bei plötzlichen Bewegungen oder starker Beanspruchung (zum Beispiel beim Toben auf der Weide) kann sich die Nickhaut blitzschnell vors Auge schieben. Ihre Funktion ist also nicht nur mechanischer Schutz, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur täglichen Reinigung und zur Gesunderhaltung der empfindlichen Strukturen.

Warum haben Pferde so ein großes Sichtfeld?

Durch die seitliche Position ihrer Augen haben Pferde ein beeindruckend großes Sichtfeld von etwa 350 Grad. Nur ein kleiner Bereich direkt hinter dem Pferd und ein sehr kleiner Bereich direkt vor der Stirn sind für sie nicht sichtbar — diese werden oft als „tote Winkel“ bezeichnet. Dieses weite Sichtfeld war für Pferde als Fluchttiere in der Wildnis überlebenswichtig, da sie Feinde oder plötzliche Bewegungen früh erkennen konnten. Obwohl sie durch diese Anordnung weniger räumliches Sehen direkt nach vorne haben, gleicht das große Panorama diesen Nachteil aus. Das erklärt auch, warum Pferde manchmal schreckhaft auf seitliche Bewegungen reagieren, die wir Menschen oft gar nicht wahrnehmen.

Wie funktioniert das Farbsehen beim Pferd?

Pferde sehen die Welt nicht in völligen Grautönen, wie lange angenommen, aber ihr Farbspektrum ist deutlich eingeschränkter als beim Menschen. Sie verfügen über zwei Arten von Farbrezeptoren (Zapfen): einen für Blau- und einen für Gelbtöne. Rottöne können sie hingegen nicht unterscheiden. Das bedeutet, dass Pferde eine Mischung aus Blau-, Grau- und Gelbtönen wahrnehmen und Farben wie Rot oder Orange eher als eine Art Grau oder Braun sehen. Diese reduzierte Farbwahrnehmung reicht ihnen aber völlig aus, um Hindernisse, Bewegungen und Strukturen in ihrer Umgebung zuverlässig zu erkennen. Für Pferde steht also nicht die Farbe, sondern vor allem der Kontrast und die Bewegung im Vordergrund.

Warum sehen Pferde in der Dämmerung so gut?

Das exzellente Sehen in der Dämmerung verdanken Pferde ihrem hohen Anteil an Stäbchenzellen in der Netzhaut. Diese Zellen sind besonders lichtempfindlich und ermöglichen es dem Pferd, auch bei schlechten Lichtverhältnissen Bewegungen und Umrisse klar zu erkennen. Zusätzlich besitzen Pferde eine reflektierende Schicht hinter der Netzhaut, das sogenannte Tapetum lucidum. Dieses verstärkt das einfallende Licht und sorgt dafür, dass die Lichtausbeute maximal genutzt wird — ähnlich wie bei Katzen. Diese Anpassung war für Wildpferde überlebenswichtig, da sie auch in der Dämmerung oder nachts Gefahren frühzeitig erkennen konnten. Für uns Menschen wirkt dieses Phänomen oft wie ein leuchtender Augenreflex, wenn Licht in die Pferdeaugen fällt.

Welche Schutzmechanismen hat das Pferdeauge?

Das Pferdeauge verfügt über mehrere natürliche Schutzmechanismen, um die empfindlichen Strukturen zu bewahren. Die Augenlider mit den langen Wimpern helfen, Staub, Insekten und kleine Fremdkörper abzuhalten. Die Nickhaut bietet einen zusätzlichen Schutz, indem sie das Auge bei plötzlichen Bewegungen schnell abdeckt. Außerdem sorgt der Tränenfilm dafür, dass die Hornhaut feucht bleibt und Schmutzpartikel ausgespült werden. Die seitliche Augenstellung hilft, herannahende Gefahren frühzeitig zu erkennen und ermöglicht es dem Pferd, bei Bedarf schnell zu reagieren. Diese verschiedenen Mechanismen arbeiten perfekt zusammen, um das Auge vor mechanischen Reizen, Austrocknung und Infektionen zu schützen.

Warum sind Pferdeaugen so empfindlich?

Pferdeaugen sind aufgrund ihrer Größe und exponierten Lage besonders anfällig für Verletzungen und Reizungen. Durch die seitliche Anordnung stehen sie stärker im Kontakt mit Staub, Ästen oder Insekten. Auch die große, stark gewölbte Hornhaut ist empfindlich und kann schon durch kleine Fremdkörper verletzt werden. Zusätzlich reagiert das Pferdeauge sehr sensibel auf chemische Reize, etwa durch falsche Reinigungsmittel oder irritierende Stoffe im Stall. Diese hohe Empfindlichkeit erklärt auch, warum Pferde bei Augenproblemen oft schnell mit Schmerzen, Kneifen oder vermehrtem Tränenfluss reagieren. Eine sorgfältige Beobachtung und sanfte Pflege sind daher besonders wichtig, um ernsthafte Schäden zu vermeiden.

Welche typischen Augenprobleme gibt es?

Pferde können an unterschiedlichen Augenproblemen leiden. Häufig treten Bindehautentzündungen auf, die meist durch Reizungen, Allergien oder Infektionen ausgelöst werden. Auch Hornhautverletzungen sind keine Seltenheit, etwa durch Zweige oder Staub. Verstopfungen des Tränenkanals führen oft zu ständigem Tränenfluss und feuchten Fellspuren unter dem Auge. Eine weitere bekannte Erkrankung ist die periodische Augenentzündung (Equine rezidivierende Uveitis), die schubweise verläuft und unbehandelt zur Erblindung führen kann. Auch Lidentzündungen oder Tumoren am Auge kommen vor. Alle diese Probleme erfordern eine schnelle Abklärung durch den Tierarzt, um bleibende Schäden zu verhindern.

Können anatomische Besonderheiten zu Sehschwächen führen?

Ja, bestimmte anatomische Besonderheiten können die Sehleistung beeinflussen. Pferde mit sehr tiefliegenden Augen oder engen Augenöffnungen haben manchmal ein eingeschränktes Sichtfeld oder Probleme mit der Lichtanpassung. Ebenso können Fehlstellungen der Augenlider oder angeborene Missbildungen den Lidschluss beeinträchtigen und zu trockenen oder verletzungsanfälligen Augen führen. Auch Veränderungen an der Hornhaut oder Linse — zum Beispiel Trübungen — können das Sehvermögen stark einschränken. In solchen Fällen ist eine regelmäßige Kontrolle durch den Tierarzt besonders wichtig, um die Sehkraft so gut wie möglich zu erhalten und rechtzeitig zu behandeln.

Was sagt die Augenstellung über das Verhalten aus?

Die Augenstellung eines Pferdes kann viel über seine Stimmung und Aufmerksamkeit verraten. Bei entspannter Haltung sind die Augen meist weich, leicht geöffnet und wirken ruhig. Sind die Augen weit aufgerissen, oft mit sichtbarem Weiß (auch „Sclera“ genannt), signalisiert das Angst, Unsicherheit oder starke Anspannung. Ein halb geschlossenes oder kneifendes Auge kann hingegen auf Schmerz oder Unwohlsein hindeuten. Auch die Blickrichtung spielt eine Rolle: Pferde, die mit den Augen aufmerksam auf etwas fixiert sind, zeigen Neugier oder eine vorsichtige Annäherung. Die feine Beobachtung der Augen hilft Dir, die Emotionen Deines Pferdes besser zu verstehen und frühzeitig auf Stress oder gesundheitliche Probleme zu reagieren.

Wie beeinflusst die Anatomie die räumliche Wahrnehmung?

Durch die seitliche Augenstellung haben Pferde ein sehr breites, aber weniger überlappendes Sichtfeld. Das bedeutet, sie können fast rundherum sehen, haben jedoch nur einen kleinen Bereich, in dem beide Augen gleichzeitig ein Bild wahrnehmen — diesen nutzen sie für das sogenannte binokulare Sehen. In diesem Bereich können sie Entfernungen und Tiefen besser einschätzen. Der tote Winkel direkt vor der Stirn und direkt hinter dem Körper erfordert besondere Vorsicht im Umgang. Insgesamt erkennen Pferde Bewegungen sehr gut, tun sich jedoch schwerer damit, nahe Objekte exakt dreidimensional zu beurteilen. Deshalb nähern sie sich neuen Gegenständen oft zögerlich oder mit vorsichtigen Kopfbewegungen.

Wann sollte man die Augenstellung und Anatomie vom Tierarzt prüfen lassen?

Eine tierärztliche Untersuchung ist immer dann sinnvoll, wenn Veränderungen an der Augenstellung, an der Form der Augen oder an der Lidstellung auffallen. Auch plötzliche Sehprobleme, wiederkehrendes Kneifen oder das Vermeiden von bestimmten Bewegungen können Hinweise auf anatomische oder funktionelle Störungen sein. Bei jungen Pferden sollten die Augen im Rahmen der ersten Gesundheitschecks ebenfalls genau untersucht werden, um angeborene Fehlstellungen früh zu erkennen. Regelmäßige Kontrollen helfen, Probleme rechtzeitig zu behandeln und die Sehkraft langfristig zu schützen. Gerade bei älteren Pferden lohnt sich eine jährliche Untersuchung, um altersbedingte Veränderungen frühzeitig zu erfassen.

FAQ

Warum wirken Pferdeaugen manchmal so „glasig“?
 Ein glasiger Blick kann durch erhöhte Feuchtigkeit, Tränenfilm oder erste Anzeichen einer Reizung entstehen. Kurzfristig ist das oft unproblematisch, bleibt es jedoch länger bestehen oder treten andere Symptome auf, sollte ein Tierarzt hinzugezogen werden.

Können Pferde kurz- oder weitsichtig sein?
 Ja, Pferde können Abweichungen in der Brechkraft haben, die zu leichter Kurz- oder Weitsichtigkeit führen. Meist gleichen sie das aber gut durch Kopfhaltung und Bewegung aus, sodass es im Alltag selten auffällt.

Warum ist das weiße im Pferdeauge manchmal sichtbar?
 Das sogenannte „Sclera“ wird vor allem sichtbar, wenn Pferde erschrecken oder sehr aufmerksam und angespannt sind. Es ist oft ein Ausdruck von Stress oder starker Emotion und kann helfen, die Stimmung des Pferdes besser einzuschätzen.

Wie wichtig ist das Tapetum lucidum für Pferde?
 Das Tapetum lucidum reflektiert Licht in der Dämmerung und verbessert so das Sehen bei schlechten Lichtverhältnissen. Für Pferde ist es besonders wichtig, um Gefahren auch in der Dunkelheit früh zu erkennen und rechtzeitig reagieren zu können.

Kann sich die Augenfarbe bei Pferden ändern?
 Nein, die Grundfarbe bleibt lebenslang gleich. Allerdings kann sich die Intensität mit dem Alter leicht verändern, und durch Erkrankungen oder Entzündungen kann das Auge trüber wirken. Auffällige Veränderungen sollten immer untersucht werden.

Qualitätsprüfung

Experte

Dr. med. vet. Volker Moser, studierte an der Veterinär-Universität Wien und schrieb seine Dissertation auf dem Gebiet Molekularmedizin (Tumorgenetik). Seit 1997 arbeitet Dr. Moser als selbstständiger Tierarzt im Bereich der Kleintiermedizin, Wiederkäuer- und Pferdemedizin. Zahlreiche Fort- und Zusatzausbildungen und seine ständige Mitarbeit in diversen Kleintierkliniken und -praxen runden seine jahrelange Berufspraxis ab. Dr. Moser engagiert sich seit 1998 in der ÖTK und VÖK und ist seit 2021 Generalsekretär bei UEVP (Union of European Veterinary Practitioners). Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher und klinischer Publikationen in Fachzeitschriften.
Zuletzt geändert: Juli 17, 2025



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